SFB 485 - Norm und Symbol
Die kulturelle Dimension sozialer und politischer Integration

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Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg / Sonderforschungsbereich SFB 485 "Norm und Symbol.
Die kulturelle Dimension sozialer und politischer Integration"

Das Kulturwissenschaftliche Forschungskolleg „Norm und Symbol“ wurde von der DFG zum 01.01.2000 eingerichtet und endete in seiner dritten und letzten Phase am 31.12.2009. Es verband Projekte aus den Fächern Geschichte, Soziologie, Literatur- und Politikwissenschaft, Philosophie und Rechtswissenschaft. Der Forschungshorizont erstreckte sich vom Alten Orient bis zur Zeitgeschichte. Indem es verschiedene Epochen und disziplinäre Fachkulturen mit ihren jeweiligen methodischen Orientierungen und Fragemustern zusammenführte, verstand sich das Forschungskolleg als ein Laboratorium kulturwissenschaftlicher Grundlagenforschung.

Inhaltlich hatte sich das Forschungskolleg das Ziel gesetzt, die symbolische Repräsentation normativer Konstrukte und die Funktion von Normen und Symbolen für den Aufbau und die Stabilität sozialer und politischer Ordnung, mithin also die kulturelle Dimension sozialer und politischer Integration, zu untersuchen. Die Forschungsarbeit zielte in der ersten Bewilligungsphase (2000-02) auf das Verhältnis von Normen und Symbolen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit. Als besonders fruchtbar erwies sich eine kommunikationstheoretische Fassung der Grundbegriffe, mit der eine zunehmende Aufmerksamkeit für Medien und die Materialität der Kommunikation verbunden war.

Diese Impulse wurden in der zweiten Antragsphase (2003-05) aufgenommen und weiterentwickelt. Hier rückte die Frage nach der Funktion von Normen und Symbolen in Prozessen sozialer Integration in den Fokus der gemeinsamen Diskussion. Vor dem Hintergrund des Problems der doppelten Kontingenz wurden Normen und Symbole als unterschiedliche Formen der Erwartungskonditionierung und des Wirklichkeitsbezuges in Kommunikation gefasst, die das Unwahrscheinliche sozialer Strukturbildung wahrscheinlicher machen. Wie die Arbeit in den Forschungsprojekten zeigte, tragen Normen und Symbole auf ganz unterschiedliche Weise zur Lösung dieses Grundproblems sozialer Ordnungsbildung bei: Normen orientieren die Aufmerksamkeit auf Ablehnung und stellen damit Eindeutigkeit her, provozieren aber auch den Konflikt, während sich Symbole als vieldeutig, damit offener und anschlussfähiger erweisen, obwohl (oder auch weil) sie nur eine eingeschränkte Selektionswirkung entfalten. Als Konsequenz aus den gemeinsamen Diskussionen stellte es sich als notwendig dar, den Integrationsbegriff neu zu fassen. Denn wenn soziale Integration von der Kontingenz kommunikativer Ordnung her gedacht wird, treten normative und wertorientierte Aspekte sowie die Frage nach Konsens und Übereinstimmung in den Hintergrund. Vielmehr wird für das Verständnis sozialer Integration die Einsicht zentral, dass aufgrund des fragilen Charakters sozialer Strukturbildung diese ihre eigene Dynamisierung und Veränderung (und das heißt: ihre Desintegration) bereits in sich trägt. Integration und Desintegration erscheinen damit nicht als Gegensatz, sondern als aufeinander bezogene konstitutive Aspekte gesellschaftlicher Ordnungsbildung. Insofern ist die Frage nach sozialer Stabilität vornehmlich auf die Fähigkeit sozialer Gefüge auszurichten, die selbst erzeugten Spannungen, Paradoxien und Konflikte als Chance der Problemdiagnose und der lernenden Anpassung produktiv zu nutzen.

Diese Überlegungen bildeten den Ausgangspunkt für die dritte und letzte Bewilligungsphase (2006-09). Entsprechend konzentrierte der Forschungsverbund seine gemeinsame Arbeit auf die Untersuchung von Transformationsprozessen sozialer Ordnungszusammenhänge. Unter den Stichworten „Zusammenbrüche – Transformationen – Neuanfänge“ richtete das Forschungskolleg seine Aufmerksamkeit verstärkt auf das Kontingente, Prozesshafte und Prekäre gesellschaftlicher Ordnungsbildung und sozialer Integration. Die Transformationsprozesse sozialer Ordnung wurden in vier Perspektiven diskutiert: Ein erstes Problemfeld betraf die Frage, wie in sozialen Einheiten Veränderung, Krisen und Brüche identifiziert und demgegenüber zeitüberspannende Identitäten hergestellt werden können. Von daher richtete sich dann zweitens die Aufmerksamkeit des Forschungskollegs auf Stabilität und Wandel in den Kategorien, mit denen Identität, Veränderung und Umbrüche beschrieben werden. Für beide Fragen waren drittens die medialen Voraussetzungen der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung von kardinalem Interesse. Schließlich widmete sich der Verbund generell dem Verhältnis von Strukturen und Diskursen in der Relation unterschiedlicher Beobachtungsverhältnisse und ihrer medialen Bedingungen. Dabei konzentrierte sich die Forschung des Kollegs auf die Analyse solcher Normierungs- und Symbolisierungsprozesse, in denen einerseits jene Identitäten, Wahrheiten und Ordnungsvorstellungen geschaffen werden, die Stabilität ermöglichen, in denen andererseits aber auch (und oftmals gleichzeitig) die Störung der Eindeutigkeit, die Subversion des Sinns sowie das Absurde und Prekäre sozialer Ordnungsbildung transportiert werden. An dieser Stelle wird daher mit darüber befunden, ob Ordnung ins Chaos stürzt, Transformationen in Zusammenbrüche führen oder neue Erwartbarkeiten hervorbringen.